Review / Preview

Chaos auf Deponia – Review

Hossa, der zweite Teil von Deponia ist da ! Tada! Gut, das reimt sich jetzt nicht so direkt, aber egal. Nachdem der erste Teil ja noch die ein oder andere Schwäche aufgewiesen hat, macht der zweite Teil vieles besser. Doch fangen wir von vorne an, oder besser gesagt am Ende vom ersten Teil, denn die Geschichte wird fast nahtlos fortgesetzt.

Nach einem gelungen Tutorial, das sowohl Neuligen als auch Spieler des ersten Teils zu unterhalten weiß, lauschen wir einer Rückblende auf die Geschehnisse des ersten Teils. Und die alten Hasen unter euch dürfen sich wundern, verschweigt die Rückblende doch diverse Details und stellt Rufus als edlen Helden dar. Wieso das so ist, erfahren wir schon kurz danach, denn der Erzähler ist nämlich niemand anderes als Rufus selbst. Aber auch die Spieler, die den ersten Teil nicht kennen, erfahren genug um der Handlung folgen zu können, sollten sich jedoch darüber im klaren sein, dass diese Rückblende nur das beinhaltet womit er Goal beeindrucken möchte.

Goal hat jedoch so ihre Zweifel und auch völlig berechtigte Fragen. Und so muss Rufus zu einer weiteren Erklärung ansetzten, die uns verrät, wie er überhaupt an Bord des Notbootes gekommen ist und welche Rolle das brennende Sägeblatt dabei gespielt hat. Hier übernimmt dann auch der Spieler die Kontrolle über Rufus und findet sich erst einmal im Hause von Oma Utz wieder. Sie ist eine Bekannte von Doc und wohnt auf einem Felsen im rostroten Meer, an dem der Müllkutter von Bozo halt machen musste um Reparaturen durchzuführen. Es folgt eine der besten Szenen im ganzen Spiel. Doc der noch nicht gemerkt hat, dass von Rufus´Selbstzweifeln und dem Wunsch nach Besserung mittlerweile nichts mehr übrig ist, versucht seine Bekannten genau davon zu überzeugen, während Rufus im Hintergrund das Haustier massakriert und ein kleines Feuer legt. Bei dem anschließenden ausprobieren seiner neusten Erfindung wird zum einen geklärt wie er in das Notboot kommt, und zum anderen wie das Haus von Oma Utz komplett zerlegt wird.

Rufus ist wieder da und er ist die selbe selbstverliebte Gesäßvioline die wir kennen. Dank seiner völlig grenzenlosen Selbstüberschätzung endet fast alles was er tut in einem mittelschweren Desaster, bei dem auch er häufig zu den Leidtragenden gehört. Genau das sorgt bei Spieler immer wieder für ein breites Grinsen, wenn Rufus wieder bei einem seiner chaotischen Pläne auf die Nase fällt.

Wo wir gerade bei auf die Nase fallen sind, natürlich gelangt Rufus vom Notboot aus nicht nach Elysium. Nach einem Streit mit Cletus befindet er sich schon bald wieder im freien Fall und wer hätte es gedacht, Goal ist mit von der Partie. Sie übersteht den Sturz nicht so gut wie Rufus und braucht dringend eine Operation an ihrem Gehirnimplantat. Doc hat schon alles vorbereitet, Rufus muss nur noch mal ein paar neue Datasetten kaufen und natürlich endet das alles im Chaos.

Das Ende vom Lied ist eine Goal, die zwar wieder auf den Beinen, aber auch in drei Persönlichkeiten gespalten ist. Praktischerweise kann Rufus per Fernbedienung zwischen diesen hin und her schalten. Doch muss er alle drei dazu überreden sich einer erneuten Operation zu unterziehen um sie wieder komplett herzustellen, und das ist natürlich nicht so einfach. Dann gilt es natürlich auch noch die Widerstandsbewegung gegen den Organon zu finden und dazu zu bringen Rufus als Anführer zu akzeptieren.

Und mit diesen beiden Aufgaben ist man auch fast 2/3 des Spiels lang beschäftigt und das ausschließlich auf dem schwimmenden Schwarzmarkt. Später im Spiel öffnen sich noch ein paar weitere Gebiete, aber eine schrittweise Öffnung der Spielwelt hätte dem Spiel sicher nicht geschadet. So hat man hin und wieder das Gefühl in der ersten Hälfte mehr oder weniger auf der Stelle zu treten, das Ende kommt dann ein wenig zu schnell.

Kennern des ersten Teils wird hier bestimmt so einiges Vertraut vorkommen, aber keine Angst, Chaos auf Deponia hat nicht nur das bessere Ende, es ist auch sonst in fast allen Punkten besser als sein Vorgänger.

Zuallererst fällt auf das es irgendwie besser aussieht, was nicht etwas an der besseren Grafik liegt, sondern durch den deutlich häufigeren Einsatz von Animationen. Die Spielwelt wirkt sofort lebendiger, da die Animationen im Hintergrund das Bild auflockern und neben der Tatsache, dass sie hübsch anzusehen sind, bieten die meisten auch noch eine kleine Slapstick-Einlage.

Bei der Akustik hat sich auch etwas getan. Die Dialoge sind sehr gut geschrieben, wie auch gesprochen. Einzig bei dem Restaurantbesitzer hätte es nicht Not getan, dass dieser nach jedem Satz wieder in den Keller rennt um sich mit seinem Hausdämonen zu besprechen. Und auch das ungeschriebene Gesetzt, dass Rufus pro Unterhaltung mindestens 2 Kalauer bringen muss, gelingt nicht immer. Aber auch hier gibt es eine Steigerung zum ersten Teil und besser, auch wenn es ein besser immer gibt, bei den Adventures haben wir es noch nicht gehört.

Doch es gibt ja nicht nur die Dialoge, auch die Gesangseinlagen von Poki aka Jan Müller-Michaelis sind wieder mit dabei und wie immer auf seltsame Weise unterhaltsam. Damit nicht genug. Er lieh dieses mal auch einem Bewohner des schwimmenden Schwarzmarkts seine Stimme.

Nun in dieser Disziplin war Daedalic ja schon immer ziemlich solide aufgestellt, fehlt nur noch die Hintergrundmusik, die im ersten Teil etwas Kritik einstecken musste. Nun an der Originalität hat sich nichts geändert, immer noch werden diese Stücke auf Instrumenten aus echtem Müll eingespielt, sind dafür aber auch immer noch ein Tick zu kurz. So hat das Marktplatz/Schwimmender-Schwarzmarkt Theme auch etwas darunter zu leiden, da man es, wegen dem langen Aufenthalt, dort gefühlte drölfzigtausend* mal hört. Es ist nicht so, dass die Kritik am Kuvaq-Theme des Vorgängers ungehört geblieben wäre, so ist diese Thematik Bestandteil eines der wohl besten Rätsel im Spiel.

Und von diesen Rätseln die uns wohl noch lange in Erinnerung bleiben, gibt es gleich ein paar in Chaos auf Deponia. Die Fähigkeit um die Ecke zu denken ist bei sehr vielen Rätseln Grundvoraussetzungen, oder vielleicht sollte man sagen, die Fähigkeit, Probleme so anzugehen wie Rufus es tun würde ? Und auch Goal und ihre 3 Persönlichkeiten sind des öfteren nicht nur Teil des Problems, sondern auch Teil der Lösung. Auch wenn die Rätsel eher biedere Standardkost bieten, werden diese doch scheinbar bei jedem Daedalic Titel weniger und weniger. Bei den Minispielen ist diese Entwicklung noch nicht ganz so weit, hier halten sich die interessanten Knobeleien mit den eher langweiligen Geschicklichkeitsrätseln noch die Waage.

Was aber besonders gefällt: In Chaos auf Deponia sind die Rätsel nicht Hindernis für die Handlung sondern elementarer Bestandteil von selbiger. Leider kommt es hier manchmal zu Konflikt zwischen der Originalität der Rätsel, der verhältnismäßig freien Welt sowie den drei Handlungssträngen, zu Anfang des Spiels. So konnten wir Teilaufgaben schön lösen, ohne zu wissen, für was wir das eigentlich machen mussten. Fix war auf Seagulls Haus eine Abschussvorrichtung gebastelt, die ihren Sinn und Zweck aber erst später offenbarte. Für den Spielverlauf ist das aber nicht weiter hinderlich, für Gelegenheitsspieler könnte da etwas anderes problematischer sein. An sich ja vorbildlich, gibt es zu vielen Rätseln in verschieden Dialogen Hilfreiche Tipps. Nur liegen zwischen dem betreffenden Gespräch und der Stelle an dem man davon profitieren sollte mehrere Spielpausen, also bisweilen Tage, kann das nötige Wissen schon vergessen sein. Wenn sich genau der Teil der Unterhaltung dann auch nicht wiederholen lässt, bleibt einem nur noch der langweiligste Weg Rätsel zu lösen: Benutze fragliches Objekt mit allem, bis irgendwas passiert. Den ein oder anderen, wenn auch wagen Hinweis von Rufus, hätte hier Zeit sparen können.

Aber von diesen Stellen gibt es so wenige, dass sie im einzelnen kaum ins Gewicht fallen, in ihrer Gesamtheit aber für Gelegenheitsspieler ärgerlich sein können. Die freiere Spielwelt hat eben auch so ihre Tücken, aber für uns haben ihrere Vorteile einen klaren Punktsieg eingefahren. Die Spielwelt wirkt durch ihre offenere Gestaltung weniger künstlich und an mehrere Problemen gleichzeitig zu arbeiten hat durchaus auch seine Vorteile. Kommt man bei Lady-Goal nicht mehr weiter, kümmert man sich eben zuerst um eine der anderen Persönlichkeiten und bekommt dabei eventuell einen hilfreichen Hinweis, oder die zündende Idee (manchmal sprichwörtlich).

Und so rätselt sich Rufus durch den zweiten Teil der Trilogie und der Spieler bekommt auf einige offene Fragen eine Antwort. So erfahren wir mehr darüber wie der Organon nun eigentlich Deponia sprengen will und auch warum er das überhaupt tut. Und auch die Rolle die Cletus dabei spielt wird transparenter. Natürlich wird Daedalic die dicken Überraschungen wohl bis zum Ende der Trilogie hüten, aber es gelingt ihnen dem zweiten Teil eine interessantere Geschichte zu verpassen, die obendrein auch noch ein deutlich besseres Ende hat.

Durch den Aufbau des Spiels entsteht aber eine gewisse Zweiteilung. Erst der große schwimmende Schwarzmarkt, auf dem storyrelevante Infromationen über den Organon ehr selten sind, dann mit der Öffnung der kompletten Spielwelt, wo man das Gefühl hat, dem Ende entgegen zueilen.

Eine kleine aber feine Warnung noch am Schluss. Wer im Verlauf des Spiels irgendwann an die Stelle kommt wo man mit einer kleinen Anekdote aus alten Adventure-Zeiten konfrontiert wird ,drückt hier nicht auf „New Game“. Damit ist keine Neuauflage des voran gegangen Streitgesprächs gemeint, sondern wirklich der Start eines neuen Spiels. Das wäre an sich ja noch ganz lustig (was auch sicherlich die Absicht dahinter ist), aber leider kommt hier die Autosave-Funktion und spuckt einem ins Essen. Diese speichert automatisch bei jedem Bildschirmwechsel, was normalerweise auch sehr bequem ist, hier aber dazu führt das der alte Spielstand überspeichert wird. Hatte man keinen separaten Spielstand verliert man so Stunden.

Fazit:

Rufus bei seinem Wirken zuzusehen wird auch beim zweiten mal nicht langweilig. Ganz im Gegenteil. Wirkt das Spiel doch so, als hätte man bei Daedalic alle guten Bestandteile des ersten Teils genommen und sie mit einer großen Portion neuer Ideen und Ansätzen in einen großen Topf geworfen und kräftig umgerührt. Herausgekommen ist ein Spiel das in fast allen Punkten restlos zu begeistern weiß. Von einigen kleinen Schwächen bei der Kombination von freier Spielwelt und dem Rätseldesign sowie bei der musikalischen Ausgestaltung mal abgesehen, ist Chaos auf Deponia nicht nur der bisher beste Teil der Deponia-Trilogie, sondern auch das beste, was Daedalic bisher zusammengeschraubt hat.

Chaos auf Deponia erscheint am 12. Oktober 2012 im hiesigen Handel.

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